Im Februar 2020, kurz vor dem Corona bedingten Lockdown, hat mich die Trailrunning Szene – Das Offroad Laufsport Magazin aus Österreich – zum Trail Talk über den UTMB und die #lifeworktrailbalance geladen. Auch wenn der UTMB aufgrund von Covid19 heuer abgesagt werden musste, so würden alle meine Antworten aus jetziger Sicht nicht viel anders lauten. Ich wünsche mir und dem Trailrunning Sport in Europa, dass der UTMB 2021 wieder wie gewohnt stattfinden kann und wir alle mit noch viel mehr Dankbarkeit und Emotionen gemeinsam an den Start gehen können.

Trailrunning Szene Interview

Trailrunning Szene: Was ist deine Motivation, wieder genau beim UTMB an den Start zu gehen, wo es eigentlich so viele Rennen gibt?

Florian Grasel: UTMB ist für mich sozusagen mein Lebenslauf, nicht nur weil das Höhenprofil-Berg- Tattoo auf meinem Rücken unter der Haut ist.
2013: Das erste Mal, die Eigenprüfung ob mich die Beine 100 Meilen tragen würden, und im Ziel der Heiratsantrag an meine Frau. Zum Glück sagte Julia JA!
2015: Hitzeschlacht, aber einfach unfassbare Freude beim Lauf selbst und wieder bester Österreicher.
2017: Mit ganz vielen lieben Freunden der österreichischen Trailrunning-Ultra- Szene am Start und endlich der Traum vom #sub24h. Im Ziel meine mit unseren Zwillingen schwangere Frau Julia.
2018: Der absolute Traum Platz 9 und damit Podium der Top 10. Da habe ich noch immer Gänsehaut.
Na ja, und 2019 das DNF. Ich glaube, ich freue mich einfach auf 2020 weil ich da gerne mit meinen Kindern Anna und Anton ins Ziel einlaufen würde und weil ich nach 2019 eine offene Rechnung habe.
(Anmerkung: nach der Covid19 bedingten Absage 2020 freue ich mich nun noch viel mehr auf 2021. Da werde ich auch 40 Jahre alt und es wäre mehr als ein Geburtstagsgeschenk zum 40er in Chamonix dem Trailrunning – Mekka beim UTMB am Start zu stehen!)

Zielsprung beim UTMB

Trailrunning Szene: Ist es die Distanz (170 km) die dich so reizt, oder die besondere Atmosphäre?

Florian Grasel: Der letzte Freitag im August um 18:00 Uhr in Chamonix – 2.500 Läufer stehen an der Startlinie und man spürt förmlich, wie bei Conquest of Paradise jeder in sich geht. Das harte Training, die Entbehrungen, die Zweifel und die Ehrfurcht vor der bevor- stehenden Aufgabe und die Vorfreude, dass es jetzt endlich soweit ist – man sieht das einfach in den Augen jedes einzelnen Läufers. Das ist Gänsehaut PUR. Ja, der UTMB ist kommerzialisiert ohne Ende und nur für die 100 Meilen muss man dort nicht unbedingt hin – aber ich muss gestehen, ich liebe diesen Moment, wenn sich sooo viele Läufer mit dem gleichen Ziel auf die Reise begeben!

Trailrunning Szene: Wie weit wirst du die nächsten Jahre deine Bestzeit herunterschrauben (wollen)?

Florian Grasel: Es muss nicht immer höher, schneller, weiter sein – aber ich habe das Gefühl in mir, dass ich bzgl. Zeit (nicht Platzierung) noch Potential habe. Wenn es meine #lifeworktrailbalance zulässt, möchte ich die 22h knacken. Ob das heuer möglich sein wird, werden mir meine Zwillinge, die heuer in den Kindergarten kommen, meine Firma und mein Körper sagen.

Florian Grasel beim UTMB 2015

Trailrunning Szene: Wie lange hast du gebraucht, um die Enttäuschung von 2019 zu verdauen?

Florian Grasel: Ohne Frage – die ersten Tage waren nicht leicht. Man hat sich ein Jahr lang auf das Ziel vorbereitet, hat immense Strapazen und Entbehrungen in Kauf genommen und dann war da unterm Strich ein DNF. Aber nach einer angemessenen Trauerphase – gehört auch dazu – konnte ich mir die richtigen Fragen stellen und habe auch die richtigen Antworten gefunden. Darüber geht es in meinem neuen Vortrag „Manchmal gewinnt man, manchmal lernt man“.

Trailrunning Szene: Hast du dein Training für das heurige Jahr umgestellt oder setzt du auf Bewährtes, um deine volle Leistung abrufen zu können?

Florian Grasel: Ich vertraue einerseits auf bereits Bewährtes, aber es müssen auch wieder ein paar neue Inputs rein. Die Zeit mit #lifeworktrailbalance ist knapp, deshalb muss ich jedes freie Training gut nützen. Das Wichtigste ist für mich aber weiterhin, dass ich einfach gerne rausgehe zum Laufen.

Trailrunning Szene: Welche Rennen hast du heuer noch geplant? Sind das für dich reine Vorbereitungsläufe oder trotzdem Highlights?

Florian Grasel: Der Plan steht noch nicht komplett fix, aber auf jeden Fall wird es hier das eine oder anderen Highlight geben. GGUT zum Beispiel ist immer ein ganz besonderes Rennen, auf das ich mich immer freue. Da ist die Runde um den Großglockner im technisch schwierigen Hochgebirgsterrain schon sehr fordernd und nicht nur ein „Vorbereitungslauf“. Es gibt mittlerweile so viele geniale Laufevents in Österreich und ich würde es gerne wie Chuck Norris mit den Liegestütze machen – einfach ALLE.
(Anmerkung: Leider – aber absolut verständlich – wurde der Großteil der Rennen 2020 abgesagt. Der Spirit und die Hoffnung leben aber weiter, kleinere Trailrunning Veranstaltungen finden auch bereits wieder statt!)

Trailrunning im Pitztal mit Laetita Pibis und Michael Kabicher

Trailrunning Szene: Nimmst du deine Familie mit nach Chamonix?

Florian Grasel: Ich möchte es unbedingt, wie schon erwähnt, wäre es ein Traum mit meinen Kindern über die Ziellinie zu laufen. Außerdem fühle ich mich sehr wohl, meine Frau vor Ort zu haben. Julia gibt mir immer viel Kraft und Motivation.

Trailrunning Szene: Du sprichst immer von der #lifeworktrailbalance… klappt das daheim immer so gut, wie es dargestellt ist oder gibt es da die nach wie vor die ein oder andere Diskussion?

Florian Grasel: Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass immer alles eitle Wonne ist, aber das tue ich auch nicht – manchmal verwende ich auch den Hashtag #lifeworktrailunbalance. Leider muss man auch ab und zu mit Kompromissen leben, aber ich schätze einmal da wirst du auch ein Liedchen davon singen können? Vor zwei Wochen waren meine Frau und meine Kinder zum Beispiel sehr krank, dann hat auch mein Immun- system nachgegeben und da war kaum an Arbeiten, geschweige denn ans Laufen zu denken. Da war auch ich ein klein wenig unruhig, um nicht zu sagen deprimiert.

Trailrunning Szene: Was hat sich für dich eigentlich geändert, seit du Kinder hast. Wie wärst du zb noch vor 3 Jahren mit einer Niederlage (entschuldige die Bezeichnung) wie 2019 umgegangen?

Florian Grasel: Ganz viel, ich glaube im Wesentlichen hätte es vermutlich vor 3 Jahren länger gedauert, Misserfolge zu verdauen. Meine Kinder haben mir gelernt, viel mehr im Hier und Jetzt zu leben. 2019 wusste ich schon am Start, als Julia zu mir sagte: „Egal was passiert, deine Kinder und ich lieben dich“ – und sie hatte recht! Selbst in Chamonix, noch nach dem Rennen, als mich Anna anlächelte, wusste ich, alles ist halb so schlimm, die Welt dreht sich weiter, ich kann für meine Kinder da sein, ihnen die Schönheit der Welt zeigen, wir sind gesund. Kinder verändern schon die Sichtweise auf vieles. Laufen ist und bleibt dann auch nur Laufen. Familie aber ist unersetzbar.

Trailrunning Szene: Ansonsten, was wünschst du dir vom heurigen Jahr und vom neuen Jahrzehnt?

Florian Grasel: Gesund bleiben, meine #lifeworktrailbalance weiter zu leben, achtsam sein. Sportliche Ziele sind super schön, aber das Wichtigste ist es raus zu gehen, die Natur zu genießen, stehen zu bleiben, aufzusaugen, sich zu erden; meinen Kindern Outdoorliebe zu lehren sowie mit ihnen viele Abenteuer zu bestreiten. Heuer kommen sie in den Kindergarten und meine Frau steigt wieder ins Berufsleben ein. Das alles wird viel verändern – aber das ist auch gut so. Darauf freue ich mich oder wie Barney Stinson sagen würde – Challenge accepted!
(Anmerkung: Covid19 hat auch den Kindergarten Start unserer Zwillinge verschoben. Meine Frau muss Donnerstag und Freitag arbeiten und ich bin sozusagen Fulltime Daddy an diesen Tagen. Das hat natürlich auch meine #lifeworktrailbalance aufs Neue herausgefordert. Aber es bleibt weiterhin noch genug Zeit meiner Trailrunning Leidenschaft nachzulaufen und es heißt weiterhin UTMB sub22 #challengeaccepted) 

Danke Sigrid Huber, Chefredakteurin, Trailrunning Szene