Der Grat, auf dem zwischen Erfolg und Misserfolg balanciert wird, ist manchmal ein schmaler – und zuweilen kann das Verlieren des Gleichgewichts auch fatale Konsequenzen mit sich ziehen. Auf dem Weg zum Hamperokken, einem 1404 m hohen Gipfel in der Nähe von Tromsö (Norwegen), klettere, laufe, wandere ich über einen Gebirgskamm und bin sogar ein wenig glücklich, dass das Wetter trüb ist. Nebel hängt in der Luft und verhindert eine gute Sicht. Ich bin ganz im Hier und Jetzt und weiß, keinen falschen Schritt setzen zu dürfen. Links und rechts fällt der Grat 200, 300 m mehr oder weniger senkrecht in die Tiefe.

Kilian Jornet präsentiert beim Hamperokken Skyrace den Grat, den es beim Rennen zum Laufen gilt

Wenn man beim Arbeiten ans Laufen denkt und beim Laufen ans Arbeiten

In der heutigen schnelllebigen Zeit, mit den existierenden Kommunikationstools, ist es nicht immer einfach, achtsam und fokussiert zu bleiben. Ich merke selbst, wie sehr ich in meinen Gedankenkreisläufen gefangen bin. Am Schreibtisch denke ich an den Sport und beim Laufen an die nächsten Schritte, wie wir es schaffen, dass unsere User SharePoint noch mehr lieben. Auch die sozialen Medien beeinflussen Achtsamkeit. Wenn ich in einer Kaffeepause Facebook öffne und sehe, dass zehn von meinen knapp 3000 realen oder virtuellen Freunden und Bekannten in den Bergen unterwegs oder beim Trainieren sind, dann gewinne ich genau das, was niemand von uns benötigt – Unzufriedenheit. Ich möchte nicht missverstanden werden, ich liebe meine Arbeit zutiefst, und ich liebe das Laufen. Aber zuweilen erwische ich mich dabei, nicht auf das fokussiert zu sein, was ich gerade mache. Dann, wenn sich negative Gedankenspiralen in Gang gesetzt haben und ich woanders sein möchte.

Im Sport habe ich die Überzeugung gewonnen, dass es besser ist zu agieren als zu reagieren. Immer dann wenn ich merke, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes unrund zu laufen beginne, analysiere ich, woher diese Unwucht kommt, ehe sie zum Kolbenreiber wird. Meine Aktion erstickt auftretende Probleme im Keim. Tue ich es nicht, muss ich zu einem späteren Zeitpunkt Missstände korrigieren, und muss eventuell mit einer längeren Verletzungspause rechnen.

Der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg kann nicht nur in den Bergen manchmal ganz schön schmal sein

Was ich hier nun schreibe, ist zutiefst persönlich und hat bislang nur meine Frau Julia gewusst. Ich habe auch lange darüber gegrübelt, ob ich über diese meine Aktivität sprechen will, denn ein negativer Glaubenssatz von Kindesbeinen an ist, keine Schwäche zu zeigen. Schwäche zeigen macht angreifbar und verletzlich und ist dennoch zutiefst menschlich – aber dazu vielleicht ein anderes Mal.

MBSR – Achtsamkeit gegen Burnout

Seit einigen Wochen besuche ich jedenfalls einen „Mindfulness-Based Stress Reduction“-Kurs, kurz MBSR. Die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion wurde in den späten 1970er Jahren in den USA entwickelt und ist ein Programm zur Stressbewältigung und gegen Burnout durch gezielte Lenkung von Aufmerksamkeit und durch Entwicklung, Einübung und Stabilisierung erweiterter Achtsamkeit. Es geht um Körperwahrnehmung, um Sitz- und Gehmeditation, um Achtsamkeitsübungen, und nicht zuletzt um die Aufrechterhaltung der Achtsamkeit auch bei alltäglichen Verrichtungen.

Ich bin mir bewusst, dass MBSR für Außenstehende oberflächlich betrachtet sehr esoterisch wirken mag, und dass dies wiederum in unseren Breitengraden als Schwäche interpretiert werden könnte. Letztlich ist es mir aber egal. Genauso wie im Sport agiere ich mit diesem Kurs nachhaltig für mich gegen aufsteigende Unachtsamkeit, Unzufriedenheit und Stress. Bevor ich langfristig auf Depressionen, Burn-Out und andere schwere Krankheiten reagieren muss, will ich lieber aktiv Akzente dagegen setzen. Ich bin überzeugt, dass MBSR eine spannende Erfahrung ist, die mich als Ehemann, Familienvater, Unternehmer, Trailrunner, somit als Mensch in meiner Gesamtheit, bereichert. Ich verinnerliche, Dinge so anzunehmen wie sie sind, ohne dass ich sie bewerten muss. Im Endeffekt darf ich als Familienvater, Unternehmer und Sportler den Grat zum Burnout nicht überschreiten und dabei hilft mir die Achtsamkeit.

Achtsamkeit - einfach im Augenblick SEIN auch wenn der Erfolgsdruck hoch ist
Achtsamkeit – einfach im Augenblick SEIN!

Beim Hamperokken Skyrace 2018 habe ich es nach 57 km und 4800 Höhenmeter übrigens in die Top Ten geschafft.

Achtsam agieren ist einfach smarter!