Der Umstand, dass ich mich ab 2010 dem Laufsport hingab, jede freie Minute in der freien Natur zu finden war und mir einem Mantra gleich gute Zeiten herbeiredete, bedeutete nicht, dass es dadurch auch meinem Unternehmen hervorragend ging. Zusammen mit meinen an einer Hand abzählbaren Mitarbeitern waren wir im Tagesgeschäft gefangen und hielten uns ökonomisch über Wasser. Meine Leute waren gut, sehr gut sogar, doch Jahre an Höhen und Tiefen hatten zur Folge, dass ich Energie, Selbstvertrauen, und vor allem Vision verloren hatte. Wir wickelten unsere Projekte wie Pferde mit Scheuklappen ab und übersahen, dass wir uns selbst nicht mehr weiterentwickelten. Ich selbst hatte mich so tief in die abzuarbeitenden Aufgaben eingegraben, dass ich diese Tatsache nicht einmal mehr erkannte. Das ist weiter nicht verwunderlich oder erstaunlich. Wer um das Überleben kämpft, ist so sehr im Hier und Jetzt verstrickt, dass er das große Ganze aus den Augen verliert.
Als angehender Läufer hatte ich dieses Problem nicht. Meine Zielstellung war klar. Ich will wissen, wie weit die Füße mich tragen, sagte ich mir. Das klang leichter, als es war. Als Autodidakt ging ich den harten und zumeist einsamen Weg, arbeitete an meinen körperlichen Schwächen und bildete mich im Bereich des mentalen Trainings weiter. Ich las Bücher, lernte die Kraft der Visualisierung kennen – und hing ein Bild mit dem Höhenprofil des UTMB an den Kühlschrank, als dieser nur eine vage Idee war. Ich lernte auch, aus einer negativen Gedankenspirale auszubrechen und innerlich STOPP! zu sagen. Mentales Training sollte mich auf aufkommende Krisen bei Ultraläufen vorbereiten und mich aus diesen befreien. Mentales Training kann ich jedem empfehlen, weil es hilft, Probleme und Herausforderungen auf das herunterzubrechen, was sie tatsächlich sind. Wenn ich die Essenz der Problematik erkenne, fällt es mir leichter, an einer Lösung zu arbeiten.
Das, was mir im Sport immer besser gelang, konnte ich nicht umgehend in meine berufliche Karriere übertragen. Als Unternehmer arbeitete ich nicht an den Schwächen von Smarter Business Solutions. Sozusagen als Start-Up 2.0 hielten ich und meine Mitarbeiter uns mit unseren Großkunden über Wasser und trieben auf einem Fluss, dessen Richtung wir nicht kannten.
Julia und ich sind stolze Eltern, Anton und Anna nennen sich unsere Zwillinge. Sie wurden im November 2017 geboren, und sie waren ein weiterer Wendepunkt in meinem – auch beruflichen! – Dasein. Neues Leben veranlasst, an Wünsche, Träume, Ziele zu denken, und so, wie ich mich mit der Zukunft meiner Kleinen auseinandersetzte, ging mein Blick auch auf mein eigenes Tun. Mir wurden die Augen geöffnet. Die Software SharePoint kommt mit immer weiteren und neueren Features auf den Markt, unsere Kunden entwickeln sich weiter – nur wir stehen still. Wenn wir also so weiter machen wie bisher, wird es uns mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bald nicht mehr geben, dachte ich mir.
Gedanken wie diese befeuern Entscheidungsprozesse – vor allem, wenn es nicht mehr nur um deine eigene Existenz geht. Ich könnte das Unternehmen, mein Unternehmen zu Grabe tragen und mich beruflich neu orientieren. Oder ich könnte auf der Basis des Geschaffenen weiterarbeiten, das Unternehmen und unser Angebot verbessern. Klar wurde mir, dass es nicht darum ging, da und dort ein paar Änderungen zu machen unser Produkt neu zu verpacken. Wir hatten ein altes, in sich zerfallendes Gebäude abzureißen und einen neuen Wolkenkratzer aufzubauen – basierend auf Werten wie Beharrlichkeit, Spaß und Familie – sozusagen Start-Up 3.0.
Ich ging in mich. Unsere Vision hatte sich eigentlich nicht geändert: Wir sorgen dafür, dass unsere Kunden SharePoint lieben! Aber genauso, wie ich in den vorangegangenen acht Jahren hart an mir als Läufer gearbeitet hatte, musste ich wieder beginnen, an mir als Unternehmer zu arbeiten. Ich musste die Leidenschaft, die Innovationskraft und den Willen zu lernen, wieder finden. Was ich auch tat.
Anton und Anna sind seit knapp einem Jahr das Zentrum unseres Lebens. Was ich mache geschieht für meine Frau und unsere Zwillinge, für meine Mitarbeiter und meine Kunden. Und was ich nicht mache, ebenso. Als im Sommer 2018 die ersten Zähne wuchsen und unser Nachwuchs besonders lästig war, verzichtete ich auf die Teilnahme am Ultra-Trailrun Eiger 101 in der Schweiz. Kann nicht sagen, dass ich es ganz leichten Herzens tat, es wäre eine schöne Vorbereitung für den Ultra Trail du Mont Blanc gewesen, doch mein Verstand sagte mir, dass zu Hause bleiben das einzig Richtige wäre: um meine Frau in diesen Tagen so gut es nur ging zur Seite zu stehen, und um einen Meilenstein von Babys mitzuerleben. Ich möchte auch dabei sein, wenn sie ihre ersten Schritte gehen, wenn sie ihre ersten Worte sprechen.
Darauf freue ich mich genauso, oder sogar noch mehr, wie auf die nächsten Entwicklungsschritte meines Unternehmens. Smarter Business Solutions ist den Kinderschuhen entwachsen. Die vielen neuen Gedanken, die wir hegen, lassen vermuten, dass wir uns noch in der Pubertät befinden. Doch der klare Blick in die Zukunft scheint eher zu belegen, dass es sich bereits um einen jungen Erwachsenen handelt.