Vor nunmehr gut einem Jahr starb einer meiner besten Freunde, Werner Schoitsch, bei einem tragischen Lawinenunglück. Ich habe Werner bereits in den Anfangszeiten meiner Firmengründung kennen gelernt. Er arbeitete bei der ÖBB, und diese machte gerade ihre ersten Erfahrungen mit SharePoint 2003. Nachdem der Markt mit SharePoint-Knowhow zur damaligen Zeit noch sehr klein war, und wir gerade bei PORR SharePoint als Intranet eingeführt hatten, war ein gemeinsamer Termin schnell gefunden.

Die Mitgesellschafter, die ich damals bei Smarter Business Solutions hatte, gratulierten mir schon – die ÖBB waren ein zuerst potenziell, dann tatsächlicher weiterer, prominenter Kunde. Kein Wunder, dass meine damaligen Kollegen in unserer Chefetage Vorurteile, Vorstellungen, Wertanschauungen kommunizierten (und Geschichten drückten). Mir waren die Meinungen anderer egal – ich glaubte an die Technologie und daran, dass wir damit echt coole und sinnvolle Projekte umsetzen könnten. Es stellte sich allerdings auch heraus, dass meine Mitgesellschafter so richtig falsch lagen – Werner räumte mit den klassischen ÖBB-Klischees vollkommen auf. Ich habe selten einen Menschen kennen gelernt, der sich in einem „normalen Angestelltenverhältnis“ so sehr mit seiner Arbeit und seinem Unternehmen identifizierte wie Werner. Dies faszinierte und schätzte ich dermaßen an ihm, dass ich mir seine Einstellung und Hingabe auch für mein Unternehmen und meine Mitarbeiter wünschte.

Ich lernte viel von ihm, und er auch von mir. Gemeinsam schlugen wir uns ganze Nächte um die Ohren, um beispielsweise für die ÖBB Infrastruktur eine SharePoint-Projektplattform für Großbauprojekte zu entwickeln. Um drei Uhr früh können Emotionen ganz schön hoch gehen, wir haben uns gelegentlich bis aufs Blut gestritten. Doch es ging immer um die Sache, für eine gute Arbeit. Die gemeinsame Zeit schweißte zusammen, aus Geschäftspartnern wurden Freunde, aber es wurde keine Freunderlwirtschaft. Werner wäre der Erste gewesen, der bei groben Fehlleistungen die Zusammenarbeit der ÖBB mit meiner Firma beendet hätte.

Nach einer durchgearbeiteten (teilweise durchgestrittenen) Nacht konnten wir trotzdem in der Früh eine gemeinsame Runde laufen gehen

Werner war es auch, der mir als ausgebildeter Alpinwart viel über das Klettern beigebracht hatte, und mit dem ich auch das erste Mal auf dem Großglockner war. Er war bei den „Naturfreunden“ aktiv, hatte fundiertes alpinistisches und meteorlogisches Wissen, und nach getaner Arbeit haben wir sehr oft über Lawinenlageberichte und -unfälle diskutiert. Er liebte seine Frau, seine zwei Kinder und sein Leben, dem er in den letzten Jahren auch noch einen höheren Sinn gegeben hatte, indem er mit seiner Frau Anni in Nepal ein Kinderheim aufbaute. Werner mied Risiken – und dennoch passierte am 2. Februar 2018 nur fünf Meter neben einer Skipiste ein tragischer Unfall.

Mit Werner und Anni das erste Mal auf dem Großglockner

Ich möchte jetzt nicht genauer auf die Hintergründe seines Ablebens eingehen, sondern auf die in den letzten Wochen / Monaten sehr häufigen Meldungen bei Lawinenunglücken und den damit einhergehenden heftigen Kommentaren in den sozialen Netzwerken – angefangen von unschönen Formulierungen wie „alles Trottel“ bis hin zu „das erledigt dann im Frühjahr eh der Fuchs“: von Empathie keine Spur, und dieser Umstand lässt mich immer wieder perplex zurück.

Ja, es ist legitim, Erfahrung, Ausrüstung, Einstellung, Risikobereitschaft von Tourengehern oder Skifahrern zu hinterfragen. Dies ist im Sinne einer Aufarbeitung der Geschehnisse und der finanziellen Aspekte einer Rettung auch notwendig. Aber nein: Es ist in meinen Augen nicht zulässig, auf am Boden Liegende auch noch zu treten. Die Betroffenen sind ohnehin schon gestraft genug. Mehr noch, sie alle haben Frau, Freundin, Kinder. Mir läuft ein kalter Schauder über den Rücken. Was würde sich meine Frau denken, wenn mir etwas zustoßen würde und das Netz voll von Empathie-befreiten, Hass-erfüllten Kommentaren ob meines Tuns wäre? Da wäre sie dann nicht nur einmal verletzt, sondern zwei, drei, vier Mal bestraft. Ich bin im Jahr rund 300.000 Höhenmeter in der Natur unterwegs, zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter. Zu hunderten Kundentermine fahre ich größtenteils mit dem Auto. Ob ich jetzt bei einem Lawinenabgang oder bei einem Autounfall verunglücke oder wenn ich keinen Sport machen würde und mich stressbedingt ohne #lifeworktrailbalance ein Herzinfarkt dahinraffen würde – es läuft immer auf dasselbe Ergebnis hinaus, den Tod. Ändern, jede Wette, würden sich die Urteile und Mitleidbekundungen aus dem näheren und weiteren Umfeld.

2018 hat Werner seinen letzten Schritt gemacht – aber seine Fußspuren werden noch länger sichtbar sein – das ist einfach smarter!

Werner ist tot, aber er hat zu Lebzeiten mit seinem SchoWe-Kinderheim in Nepal etwas nachhaltig Sinnvolles geschaffen und hinterlassen. Und in diesem Geiste arbeite ich auch mit meinem Unternehmen. 2018 hatte Smarter Business Solutions ein Rekordjahr, weil wir es geschafft haben, unseren Kunden einen echten Mehrwert zu liefern. Als Dank ist ein guter Gewinn dabei herausgekommen. Zehn Prozent davon geht an das SchoWe-Kinderheim und an die Bergrettung – um meinem, um unserem Handeln einen zusätzlichen Sinn zu geben.

Und um Werner nicht zu vergessen.

Werners Lebenswerk – das SchoWe Kinderheim im Solukhumbu