„Try it till you make it“ war meine Erkenntnis nach meinem ersten Versuch die Fastest Known Time am Berliner Höhenweg zu laufen. „Ich werde aus meinen Fehlern lernen und es noch besser machen!“ sagte ich mir nach meiner Rückkehr aus Mayrhofen. Wäre das ein Rocky-Film würde jetzt „Gonna Fly now“ by Bill Conti ertönen und man würde meinen Trainingsrückblick des letzten Monats sehen. Doch ganz so heroisch ist es natürlich nicht.

Ich war demütiger und erfahrener geworden, ich hatte – so glaubte ich – meine Lektion gelernt. Zielstrebig habe ich in den vergangenen Wochen an meinen Haushügeln viele Höhenmeter abgespult und während des Arbeitens in viele Kraftübungen investiert. Ich war zuversichtlich, dass wenn alles perfekt läuft – ich ca. 1-2 Stunden schneller als beim ersten Versuch sein könnte. In der Zwischenzeit hatte Daniel Jung eine famose neue Fastest Known Time am Berliner Höhenweg aufgestellt. 15:30 Stunden mit der Unterstützung seines Teams. Dennoch redete ich mir fest ein, dass es möglich sein müsste auch an diese Zeit heran zu kommen. Ich hatte es mir im Kopf vorgenommen unsupported unterwegs zu sein und mir trotzdem Daniels Lauf als Vorbild zu nehmen.

Der Körper und Geist nicht im Einklang

Leider ist es wie so oft eine Illusion, dass alles perfekt läuft. Die Wochen vor meinem zweiten Versuch bargen beruflich wie sportlich einige Herausforderungen. Der Körper litt, weil mir nach einem Zeckenstich Borreliose diagnostiziert worden war. Die Antibiotika, die ich nehmen musste, führten zu Magen-Darm-Beschwerden. Letztlich war ich gar nicht sicher, ob ich denn tatsächlich am 12.09. laufen sollte. Erst nach dem OK meines Vertrauensarztes entschloss ich, es doch zu versuchen.

Der Geist litt auch. Ein wichtiges berufliches Projekt entwickelte sich leider nicht wie gewünscht. Einige Tage vor meinem Fastest Known Time – Versuch im Zillertal hatte es noch ein gemeinsames Meeting gegeben, bei dem vereinbart worden war, Emotionen außen vor zu lassen und uns darauf zu konzentrieren, zu retten, was noch zu retten ist. Das aus meiner Warte nüchtern und objektiv angefertigte Protokoll wurde aber in einer Mail, die ich 1h vorm Weglaufen in Mayrhofen noch gelesen hatte, sofort angegriffen und in Stücke gerissen. Wir haben trotz langer, engagierter Arbeit Partner und Kunden verärgert, eine Rückabwicklung der Angelegenheit steht im Raum. Das schmerzt immer, besonders aber zu Corona-Zeiten.

Unterwegs am Berliner Höhenweg - unsupported

Als ich um Mitternacht in Mayrhofen weglief, fühlte ich mich nicht besonders wohl. Mental war ich nicht im Hier und Jetzt, dachte an die Arbeit und die Herausforderungen der letzten Tage. Ich übersah eine Wurzel und lag schon am Boden…  Durchwachsen ging es durch die Nacht. Ich fand nicht immer gleich den richtigen Weg, und lag im Vergleich der Zwischenzeiten rund 30 Minuten hinter Daniel. Seine Durchgangszeiten habe ich mir notiert, um Anhaltspunkte zu haben.

Am Tag war ich dann ganz gut unterwegs. Auf der Kasseler Hütte, die man im letzten Drittel der Runde nach rund 70 der 90 Kilometer erreicht, lag ich 20 Minuten hinter der Zeit des Südtirolers. Da geht noch was, dachte ich mir motiviert – doch leider: nicht mehr viel. Im Gegenteil, die Hitze auf dem technisch herausfordernden Aschaffenburger Höhenweg hatte mir ordentlich zugesetzt. Zurück in Mayrhofen war ich 55 Minuten langsamer als Daniel gewesen. Die 16:25 Stunden bedeuten aber immerhin eine „unsupported“ Fastest Known Time!

Ich bin mit meinem zweiten Fastest Known Time Versuch wesentlich zufriedener als mit meinem ersten Lauf. Dennoch habe ich einmal mehr erkannt, dass wirklich alles passen muss, um große Ziele zu erreichen. Mit dem Ergebnis des oben beschriebenen Projekts für unseren Großkunden sind meine Kollegen und ich gänzlich unzufrieden. Genauso wie nach meinem ersten Anlauf am Berliner Höhenweg sitzen wir gerade zusammen und analysieren was wir falsch gemacht haben und was wir in Zukunft für unsere Kunden besser machen können! Wir werden auch hier so lange trainieren [heroische Rocky – Trainingsmusik ertönt] bis wir unser Ziel erreicht haben.

You find out life’s this game of inches, so is football. Because in either game – life or football – the margin for error is so small. I mean, one half a step too late or too early and you don’t quite make it. One half second too slow, too fast and you don’t quite catch it. The inches we need are everywhere around us. They’re in every break of the game, every minute, every second.

Im Beruf als auch im Sport entscheiden Nuancen über das Endresultat. Deswegen stimmt schon, was ich im vorangegangenen Blog geschrieben habe: dass man es so lange versuchen soll, bis man das Ziel erreicht. Doch es stimmt auch, was die Quintessens dieser Zeilen ist: dass man sich in die bestmögliche Verfassung bringen muss, um gute Chancen zu haben, hohen Ansprüchen gerecht zu werden und das beste Resultat zu erzielen.