Manchmal denke ich darüber nach, ob ich der Gesellschaft angepasst oder unangepasst bin; für ersteres spricht, dass ich mit beiden Beinen im Berufsleben stehe und glücklicher Familienvater bin. Für letzteres, dass ich einem Sport fröne, der in seiner Tragweite nicht für alle greifbar und verständlich ist. Ganz klar gegen den Strom schwimme ich aber, wenn es um gewisse Sprichwörter und Floskeln geht. Beispielsweise: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“. Oder: „Schlechte Werbung ist besser als gar keine Werbung“. Sorry, nicht mit mir.

Als Geschäftsführer der Smarter Business Solutions ist es mir unglaublich wichtig, die hohen Standards, die wir uns als Team setzen, zu erreichen und zu leben. Wir wollen, dass unsere Kunden SharePoint lieben, und wann liebt man?! Vereinfacht formuliert: wenn alles passt. Wenn Zuneigung und Hingezogenheit ebenso vorhanden sind wie Vertrauen und Verlässlichkeit, und positive Meinungen von anderen Seiten die eigene Wahrnehmung noch bestärken. Schlechte Werbung ist nicht smart – weder im Trailrunning noch im Business. Besser nicht auffallen, als sich den Ruf zu ruinieren.

Meine Lebenseinstellung und mein Verständnis für Moral und Ethik beschränken sich nicht nur auf private und berufliche Agenden, sondern greifen auch tief in meine Denkweise über den Sport ein. Zuweilen habe ich den Eindruck, dass es sich beim Trailrunning noch um eine alles in allem heile Welt handelt. Sicher, man kann diskutieren, ob alle Events, die von großen Firmen ins Leben gerufen werden, Sinn machen und notwendig sind, man kann über die Verkommerzialisierung des UTMB sprechen, über Doping, das es gibt oder nicht gibt. Doch grundsätzlich ist das Wesen des Trailrunning sichtbar, die Natur der schönste Spielplatz, den wir uns wünschen können.

„die Natur der schönste Spielplatz“ (c) Georg Krewenka

Werbung für Trailrunning macht also Sinn. Auch schlechte Werbung?

Kürzlich las ich in einer Lokalzeitung von einem Trailrunner / Extremsportler, der – ähnlich beim Transalpine Run in den Alpen – bei einem Etappenlauf im Grand Canyon an den Start ging. Bereits am ersten Tag wurde er von einer Tarantel gestochen und verletzte sich im Lendewirbelbereich. Im Etappenziel wurde er vom medizinischen Personal aus dem Rennen genommen. So weit, so schlecht. Doch es wird nicht besser. Im Bericht ist davon die Rede, dass er Schmerztabletten zuhauf schluckte, die ihn ins Ziel brachten, aber auch ein Nierenversagen auslösten. Er benötigte neun Stunden, war aber stolz, sechs US-Marines um eineinhalb Stunden geschlagen zu haben. Ob diese am nächsten Tag zur zweiten Etappe antraten oder sich so wie er auch Richtung Las Vegas machten, verrät der Artikel allerdings nicht.

Jedem steht zu, sein Leben  nach eigenem Gutdünken zu gestalten, und ich maße mir nicht an, aufzustehen und die Aktionen des einen oder anderen zu verurteilen. Doch was ich aus tiefster Überzeugung tue, ist, Missverhältnisse aufzuzeigen, wenn ich so empfinde. Trailrunning – aus Spaß, im Training, im Wettkampf – wird von der Freude am Tun und von hoher Selbstverantwortung gespeist. In meiner Welt des Laufsports ist kein Platz für Schmerzmittel: Wenn der Körper sagt, dass es nicht mehr geht, ist ein „did not finish“ keine Schande, sondern eine Notwendigkeit, die gelassen zur Kenntnis genommen werden kann. Und sich dann noch brüsten, dass man andere „geschlagen“ hat?! In meiner Welt des Trailrunnings hat das keinen Platz!

Wer jemand anderen „schlagen“ will – soll doch zum Boxen gehen!

Der Ruf von Trailrunning – meiner großen Leidenschaft – ist mir nicht egal!

Er schädigt sich nur selbst, könnte ich sagen. Ja. Und auch nein. Er schädigt auch den Ruf des Sports, dem ich verfallen bin. Die Schönheit, Erhabenheit, Erfüllung des Trailrunnings leidet jedes Mal, wenn deren Protagonisten auf Mittel zurückgreifen, die nicht vorgesehen (oder gar nicht erlaubt) sind. Wenn für Läufer scheinbar die Qualen („der Hölle entkommen“) und der Kampf gegen „Freunde“ („da konnte ich auch zahlreiche Freundschaften schließen“ vs. „Ich bin deshalb auch sehr stolz, dass ich mit meinen neun Stunden gleich sechs US-Marines um jeweils eineinhalb Stunden geschlagen habe“) im Mittelpunkt steht und nicht das Erlebnis, die Schönheit der Natur, Trailrunning an sich!

Mir egal, wenn jeder seine 15 Minuten des Ruhms haben will. Passt schon. Doch schlechte Werbung ist sicherlich keine Werbung für Trailrunning. Und das ist nicht egal.

Anbei noch ein paar Impressionen, was Trailrunning für mich ist bzw. findet ihr hier meine weiteren Gedanken zum Thema Trailrunning: