171 Kilometer und 10.300 Höhenmeter: Dies sind beiden wichtigsten Zahlen des Ultra Trail Mont Blanc (UTMB), der in diesem Jahr vom 31. August bis zum 2. September ausgetragen wird. Florian Grasel ist der prominenteste österreichische Repräsentant bei diesem Mega-Event. Hier sinniert der Niederösterreicher über seinen Sport und sein Leben.

(c) David Wallmann

Wir stehen am Flughafen in Tromsö, zwei Erwachsene, zwei acht Monate junge Kinder, vier große Koffer – und der Taxifahrer weigert sich, uns zum Hotel zu bringen. Er habe keine Kindersitze, und ohne diese sei es verboten, uns alle zu transportieren. Ich verstehe seinen Standpunkt, teile ihn im Namen der Sicherheit auch, doch nach 12 Stunden Reise, mit unseren um fast ständige Zuneigung heischenden Zwillingen Anna und Anton, wollen wir einfach nur in unsere Bleibe. Aber nichts da. Wir müssen den Bus nehmen und die letzten zwei Kilometer zu Fuß gehen. Bevor ich also zum Hamperokken Skyrace antreten konnte hatte ich einen wahren Ultra schon hinter mich gebracht.

Das Rennen selber war eine Wucht! Ich wusste nicht recht, was ich mir erwarten sollte, 57 Kilometer mit 4800 Höhenmetern flößten mir Respekt ein, doch ich fürchtete, dass der Wettbewerb zu kurz für mich sein könnte. Richtig darauf vorbereitet hatte ich mich auch nicht, und so wollte ich die Konkurrenz einfach nur genießen. Dass der technisch schwierigste und gefährlichste Abschnitt nebelverhangen war, kam mir und wohl auch anderen sehr entgegen. So sahen wir nicht, dass es auf dem Grat links und rechts 200, 300 m in die Tiefe ging. Ich belegte Platz zehn und war damit hochzufrieden. Der Sieger benötigte 7:04 Stunden, ich 72 Minuten länger, und allein diese Zahlen beweisen, wie herausfordernd dieses von Kilian Jornet initiierte und organisierte Rennen ist.

Das Hamperokken Skyrace war nur eine von vielen herausragenden Momenten in Norwegen. Ich war noch nie in diesem skandinavischen Land, und sicher auch deswegen überwältigt von der Größe der Natur. Die Fjorde in Neuseeland sind schön, jene in Norwegen unübertreffbar. Meine Familie und ich kehrten mit so vielen positiven Eindrücken aus Nordeuropa zurück, das es eigentlich schon ausgemachte Sache ist, in naher oder ferner Zukunft nochmals nach Norwegen zu fahren. Ich kann dieses Plätzchen Erde nur jedem empfehlen!

Doch von der Vergangenheit in die Zukunft. In zwei Wochen steht der Ultra Trail Mont Blanc auf dem Programm. Ich bestreite ihn zum vierten Mal nach 2013, 2015 und 2017. Vor einem Jahr schaffte ich das Mammutprogramm in unter 24 Stunden, und dies ist auch das Ziel bei dieser Auflage. Erstmals werde ich allerdings kein eigenes Support-Team mit mir haben. 2017 betreute mich meine Frau und Michi und Ivan von meinem BOA-Runningteam, die auf dem Weg zu einem anderen Wettbewerb waren, aber die Zeit fanden, mich zu unterstützen. Es wird also eine neue Erfahrung werden, mit hoffentlich positivem Ausgang.

Die Anreise plane ich für Donnerstag, 30. August. Am Freitagabend, 18 Uhr, fällt der Startschuss. Sonntag, 2. September, möchte ich wieder zu Hause und einen Tag später an meinem Arbeitsplatz sein. Das klingt nach einem etwas stressigen Programm und ist es auch. Doch es geht nicht anders. Ich bin meiner Frau dankbar, dass sie zu mir steht und meine Lauf-Abenteuer unterstützt, gerade jetzt, wo unsere Kinder mehr und mehr Arbeit machen. Deswegen will ich keinen Tag länger als notwendig von zu Hause fehlen. Und dann gibt es meinen Beruf, mein Unternehmen. Es floriert, benötigt aber Pflege und Präsenz.

So teile ich mich in drei, doch ich kenne meine Prioritäten: Familie, Job, Trailrunning, in dieser Reihenfolge. Beim UTMB will ich mein Bestes geben und wäre – wie jeder andere auch – klarerweise enttäuscht, wenn ich nicht das erreiche, was ich mir vorgenommen habe. Aber ganz ehrlich: Außer um ein bisschen Selbstbestätigung geht es bei meinen Läufen um – gar nichts.

Und das macht mich frei, unbeschwert und glücklich.

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