„Inhaltlich sehr gut, aber aufgrund der vielen Fehler nicht genügend – 5.“ Wie oft habe ich diesen Satz unter meinen Schulaufsätzen gelesen. Ich war frustriert, verärgert, entmutigt. Das wird nie was, dachte ich mir. Es war dieselbe Person, die mir den „Fleck“ verpasst hatte, die mich auch wieder aufmunterte. „Aufgeben“, sagte meine Deutsch-Lehrerin, „tut man nur einen Brief.“

Meine Fähigkeit, Gedanken fehlerlos zu Papier zu bringen war zu jener Zeit wirklich nicht ausgeprägt. Doch ich kämpfte ein ums andere Mal um eine bessere Note – und schaffte, sieh an!, die Matura. Im Nachhinein kann man darüber lachen, doch in der Situation war es nicht sonderlich lustig.

Schon interessant, was ein abgestandener, banaler Satz als Mantra bewirken kann. Immer dann, wenn es hart wird bei den verschiedenen Rennen – und seien wir uns ehrlich: irgendwann zwischen 80 und 170 Kilometern wird es immer hart – wäge ich meine Optionen und Ressourcen ab, fühle in mich hinein, um das Niveau meiner Leidensfähigkeit festzustellen, und erhalte zumeist eine klare Antwort: Es bleiben zu lassen ist immer einfacher als sich weiter abzumühen. Aber aufgegeben wird nur ein Brief.

Zuweilen kommt der „gib-nicht-auf“-Kick eben auch von außen. Beim UTMB 2018, den ich sensationell auf dem neunten Rang beendete, rief ich vor dem Verpflegungsposten Champex-Lac bei Kilometer 125 meine Frau an und meinte, dass ich das Rennen beenden würde. Ich war körperlich fertig, konnte und wollte nicht mehr. „Sei kein Weichei“, antwortete mir meine Frau. „Selbstverständlich wirst du weiterlaufen.“ Was ich dann auch tat.

Auch wenn es manchmal ausweglos scheint – es geht doch viel mehr als man auf den ersten Blick vermutet

Doch Aufgeben spielt(e) sich für mich nicht nur im schulischen oder sportlichen Leben ab, sondern (vor allem auch) im beruflichen.

Seit den Gründerjahren von Smarter Business Solutions arbeiten mein Team und ich an einem Projekt, das sich Outlook 2 SharePoint, kurz O2S, nennt. Outlook zählt zum natürlichen Arbeitsfeld eines jeden Berufstätigen– es wird in der Früh geöffnet und am Abend geschlossen. Wir wollten nun die Möglichkeit schaffen, Outlook und SharePoint in direkte Kommunikation zu setzen und somit einen Mehrwert für den Nutzer der beiden Systeme zu erzielen. Smarter Business Solutions war ziemlich erfolgreich, wir stiegen bei großen Unternehmen wie PORR und REWE als Entwicklungspartner ein, verkauften Konzernlizenzen, die auf 45.000 Rechnern installiert wurden und verbesserten das Produkt durch das Feedback der User und der Unternehmen.

Wir waren stark in der Entwicklung, aber schwach im Marketing und im Vertrieb. Andere vergleichbare Produkte schafften es, mit viel Geld eine uns nicht mögliche Marktdurchdringung zu erreichen.

Deswegen waren wir beim Aufgeben. Vor recht genau einem Jahr, im Spätherbst 2017, überlegte ich, O2S einzustellen. Es war in einem Jahrzehnt zwar unglaublich viel Herzblut in unser Produkt – vor allem von meinem Kollegen Adnan – geflossen, aber schlussendlich investierten wir jahrelang schon mehr, als wir einnahmen. Wir sollten unsere Zeit nachhaltiger investieren, dachte ich mir.

Aber das Schicksal wollte es anders, ein großer deutscher Konzern startete genau zu diesem Zeitpunkt ohne unser Wissen und Zutun die Evaluierung unseres Produkts und jenes eines Mitbewerbers. Beide Systeme wurden bei 20 Test-Usern installiert, und nachdem diese sich für O2S ausgesprochen hatten, wurde eine Konzernlizenz bei uns erworben.

Dass dieser unerwartete Erfolg Auftrieb gab, lag auf der Hand. Wenn es nach den harten Zahlen gehen würde, müssten wir O2S zwar noch immer aufgeben, aber ist es nicht auch ein Erfolg zu wissen,  viele Zehntausende von Usern da draußen bei deren täglichen Arbeit zu unterstützen? Auf die „IT“ wird ohnehin fast tagtäglich geschimpft. Wir Experten werden zuweilen mit Argwohn betrachtet, sicher auch, weil in den Medien regelmäßig  Schreckensszenarien aus der Welt der Digitalisierung, Transformation und künstlichen Intelligenz heraufbeschworen werden. Es geht uns deswegen (auch) darum, diesen Ängsten entgegenzuwirken und den Usern unterstützend zur Seite zu stehen – ein gutes Gefühl!

An der Hürde, wie wir uns bekannter machen und eine größere Marktpräsenz erreichen, arbeite ich noch, doch wir werden auch diese meistern. Schlussendlich haben wir mit unserem O2S  Geld zu verdienen, damit meine Mitarbeiter auch weiterhin leistungsgerecht bezahlt werden können.

Marketing, Vertrieb und Verkauf sind keine leichten Betätigungsfelder. Mir kommt wieder meine weise Deutsch-Lehrerin in den Sinn. Aufgeben tut man nur einen Brief.

Nicht aufgeben ist einfach smarter!