Keuchend blieb ich stehen, sackte zuerst in die Knie und setzte mich dann auf den Boden. Es war der 6. März 2010, und ich war am Ende. Die Liquidität bei der Firma Smarter Business Solutions als auch beim Herrn Geschäftsführer Grasel ging dramatisch gegen Null, eigentlich war es nur mehr eine Frage von Tagen oder Wochen, ehe ich Konkursantrag stellen musste.

Verlass dein selbstgebautes Hamsterrad, sagte ich mir, mach was anderes, um den Kopf frei zu bekommen! Und so entschloss ich mich an jenem Samstagmittag, eine Runde laufen zu gehen. Ich schnürte alte Sportschuhe und wollte von Zuhause in den nahe gelegenen Wald joggen.

06.03.2010 – erster Lauf

4500 Meter später, und mit Durchschnittswerten von 6:26 min/km und einem Puls von 163 Schlägen/Minute hatte ich den Waldanfang erreicht und war fix und fertig. Wut, Enttäuschung, Verbitterung, Erstaunen stiegen in mir hoch. Ich war ein ehemaliger Sportgymnasiast, vielleicht hatte ich tief in mir schlummernder Arroganz vermutet, dass sich körperliche Form für immer konservieren ließe. Mir wurde bewusst, dass ich in den letzten Jahren Raubbau an meinem Körper betrieben hatte, aufgrund von nicht mehr enden wollenden Arbeitstagen und aufgrund permanenten Stresses. Selbstverständlich war ich übergewichtig, hatte ein Bäuchlein und volle Backen, die ich auch nicht unter einem Bart versteckte wollte (oder konnte). Doch Gesundheit und Work-Life-Balance waren nicht wichtig für mich in dieser Zeit, ich war zu hundert Prozent und mehr auf meinen Job fokussiert.

Als ich meinen Mit-Gesellschaftern eröffnete, dass ich nicht an deren Immobilienprojekten in Kroatien und anderswo interessiert war und dass ich keinen Großkonzern gründen, sondern mit einem kleinen Team SharePoint-Nutzen zu unseren Kunden bringen wollte, waren diese naturgemäß nicht sehr begeistert. Doch die Zahlen sprachen für mich, mein Bereich warf Profit ab, die anderen weniger bis gar nicht. Wir trennten uns einigermaßen friedlich, jeder ging seine Wege, und meiner war mit der Restrukturierung der Firma und (weiterhin) vielen finanziellen Nöten verbunden. Meine Partner mussten ausbezahlt, erhaltene staatliche Förderungen zurückgegeben werden.

Ich stellte Smarter Business Solutions neu auf. Anstelle eines sündteuren Büros in Wien und Sarajevo operierte ich nun von Wr. Neustadt aus, und anstelle von 20 Angestellten hatte ich vier Mitarbeiter. Gleichzeitig setzte ich mir ein zweites Ziel. Ich wollte fitter werden und bemühte den üblichen Satz des „mens sana in corpore sano“.

Am 6. März 2010 waren meine Gedanken in Geiselhaft einer unsicheren beruflichen Zukunft und mein Körper war eine Masse aus Knochen und Fett, der dem Kreislauf zuliebe besser nicht schnellen Bewegungen ausgesetzt werden sollte. Nicht nur finanziell am Ende, sondern auch körperlich: Wie hat es soweit kommen können?! Ich saß auf dem Waldboden und dachte nach, über mich, mein Leben, meine Probleme. Und ich überraschte mich selbst dabei, über Dinge zu sinnieren, die nicht das bloße Tagesgeschäft betrafen. So etwas hast du seit Langem nicht mehr gemacht, sagte ich mir, und war ein wenig froh und stolz darüber.

Während ich langsam zurückspazierte, wurde mir Schritt für Schritt klar, was mir in den letzten Jahren gefehlt hatte: ein Blick auf das große Ganze meines Unternehmens, und die Pflege der eigenen – körperlichen wie geistigen – Gesundheit. Ich nahm mir vor, unter beiden Aspekten an mir zu arbeiten.

Wenn sich der Nebel ein wenig lichtet…